Die Ortsumgehung

Ausgangssituation

Garmisch-Partenkirchen ist verkehrlich geprägt durch die Bundesstraßen B 2 und B 23. Die B 2 verläuft von Norden kommend als Fortführung der Bundesautobahn A 95, München – Garmisch-Partenkirchen, durch den Ortsteil Partenkirchen und führt weiter in südöstlicher Richtung über Mittenwald nach Innsbruck/Tirol. Die B 23 zweigt nördlich von Garmisch-Partenkirchen von der B 2 nach Westen ab und verläuft durch den Ortsteil Garmisch Richtung Grainau und weiter in südwestlicher Richtung über Griesen nach Österreich Richtung Fernpass bzw. Reutte.

Die B 2 weist innerhalb der Ortsdurchfahrt von Partenkirchen derzeit eine durchschnittliche Verkehrsbelastung von bis zu 25.000 Fahrzeugen / 24 h auf, die B 23 in der Ortsdurchfahrt von Garmisch von bis zu 16.000 Fahrzeugen / 24 h. Eine nachhaltige Verkehrsentlastung ist nur durch den Bau von Ortsumgehungen möglich. Garmisch-Partenkirchen liegt jedoch in einem Talkessel, in dem die Bebauung im Westen bis an die Hänge des Kramers und im Osten bis an die Hänge des Wanks heranreicht. Die notwendigen Ortsumgehungen lassen sich daher nur durch den Bau von zwei Tunneln verwirklichen.

Streckenbeschreibung und Trassenführung

Die geplante 5,6 km lange Ortsumgehung schwenkt nördlich von Garmisch-Partenkirchen von der bestehenden B 23 kurz nach der Loisachüberquerung ab. Bereits nach ca. 150 m taucht die Trasse im Bereich eines stillgelegten Steinbruchs in das Kramermassiv ein, das in einem 3.609 m langen Tunnel unterfahren wird. Vom südlichen Tunnelende aus verläuft die Straße östlich des Tierheims von Garmisch-Partenkirchen und in weiterer Folge nördlich entlang des von den US-Streitkräften genutzten Gebietes in der Breitenau, überquert die Loisach und schließt an die vorhandene B 23 bei Grainau an.

Nutzen

Zum einen wird die Ortsumgehung mit Kramertunnel für eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit der überregionalen Nord-Süd-Verbindung zwischen München und Tirol (Fernpass) sorgen.
Zum anderen soll durch die Verlegung der Bundesstraße 23 der Ortsteil Garmisch vom Durchgangsverkehr nach Österreich, nach Grainau, zum Eibsee und zur Zugspitze sowie vom Verkehr zu den südlichen Bezirken Garmisch-Partenkirchens mit den Sport- und Wandergebieten entlastet werden.

Übersichtslageplan

Bauablauf Kramertunnel

Stand: Januar 2020

  • ab Februar 2020
    Vortrieb der Hauptröhre von Norden
  • ab April 2020
    Vortrieb der Hauptröhre von Süden
  • ab Mitte 2022
    Betonage der Tunnelinnenschale
  • ab Herbst 2023
    Einbau der Tunnelbetriebstechnik

HISTORIE

1970er Jahre
Erste Planungen einer Westumgehung von Garmisch-Partenkirchen
1981
Einleitung eines Raumordnungsverfahrens für die Verlegung der B 23 mit landesplanerischer Beurteilung verschiedener Trassen
1982
Abschluss des Raumordnungsverfahrens. Grundsätzliche Führung der Westumgehung damit vorgegeben
1998
Genehmigung der Vorentwurfsplanung durch das Bundesverkehrsministerium
2006
Einigung zwischen der Straßenbauverwaltung mit den US-Behörden und dem Markt Garmisch-Partenkirchen auf den Trassenverlauf
2007
Durchführung des Planfeststellungsverfahrens
2009
Abweisung einer Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 30.11.2007 durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof
2010
Baubeginn des Erkundungsstollens mit südlicher Zulaufstrecke
2013
Beendigung des Vortriebs aufgrund ungünstiger Geologie im Bergsturzbereich
2017
Ergänzender Planfeststellungsbeschluss vom 28.07.2017 und Baufreigabe durch den damaligen Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur Alexander Dobrindt am 19.09.2017
2018
Baubeginn Loisachbrücken Grainau und Bau einer künstlichen Bewässerungsanlage für die Hangquellmoore
2019
Beginn der Bergwasserabsenkung, Baubeginn der Loisachbrücke Burgrain und Baustelleneinrichtung der ausführenden Firma des Hauptauftrages

Herausforderungen und Erkenntnisse

Geologie und Hydrologie

Das Projektgebiet liegt am Nordrand der nördlichen Kalkalpen. Das hier vorhandene Gebirge ist aus drei Festgesteinseinheiten aufgebaut. Die Hauptdolomit- und Plattenkalk-Formation besteht aus mächtigen Abfolgen von Kalk- und Dolomitgestein. Die Kössen-Formation ist eine Wechsel-folge von Kalkstein und (Ton-)Mergelstein. Die Hauptdolomit-Formation stellt mit bis zu 1.000 m Mächtigkeit die vorherrschende Festgesteinseinheit dar. Diese wurde im Zuge der Entstehung der nördlichen Kalkalpen über die geologisch jüngeren Abfolgen der Plattenkalk-Formationen und Kössen- Formationen der Lahngraben-Mulde geschoben.

Dem Festgestein aufliegend wurden in jüngster geologischer Zeit (Quartär) die teils mächtigen Lockergesteinskörper des Kramerplateaus abgelagert. Das Spektrum reicht von glazialen Sedimenten unterschiedlicher Ablagerungsmilieus bis hin zu den jüngsten Ablagerungen in Form von Hang- und Murschutt.

Im Projektgebiet treten viele kleine Gerinne auf, die vom Kramermassiv talwärts fließen und niederschlagsbedingten Schwankungen unterliegen. Die meisten versickern im Übergangsbereich vom Festgestein zum Lockergestein in den Untergrund und treten nur selten bei Starkregen noch einmal an der Oberfläche zu Tage. Sämtliches Oberflächenwasser fließt letztendlich in die Loisach.

Die Tunneltrasse verläuft zu ca. 85 % innerhalb des Kluftgrundwasserleiters der anstehenden Festgesteine, was zu hochkomplexen hydraulischen Verhältnissen führt, und zu etwa 15 % im Porengrundwasserleiter der Lockergesteine. Im Bereich der bautechnisch schwierigen Lockergesteinszone der „Bergsturzmulde“ liegt der Grundwasserspiegel ca. 45 m oberhalb der Fahrbahnsohle des Tunnels (4,5 bar Wasserdruck). Das sind ca. 10 m mehr als der Eibsee an seiner tiefsten Stelle.

Geologischer Schnitt Erkundungsstollen

Künstliche Bewässerung der Hangquellmoore 

Als Vorwegmaßnahme wurde im Jahr 2018 eine 2,8 km lange Bewässerungsleitung vom Lahnenwiesgraben zu den Hangquellmooren im Bereich des Schmölzersees gebaut. Durch das geänderte Bauverfahren und die notwendige Grundwasserabsenkung im Bergsturzbereich werden die natürlichen Quellen während der Bauzeit trocken fallen. Damit die empfindliche Moorvegetation nicht durch Austrocknung irreversibel geschädigt wird, werden diese Bereiche künstlich bewässert. Das Wasser wird über ein den Örtlichkeiten angepasstes System mit kleineren, handverlegten Rohren verteilt. Alle Arbeiten werden umweltfachlich begleitet. Während der gesamten Baumaßnahme wird die künstliche Bewässerung der Hangquellmoore überwacht und falls notwendig nachgesteuert.

Wissenswertes zum Erkundungsstollen

Der im Jahr 2010 begonnene Erkundungsstollen ist bis auf rd. 350 m aufgefahren und liefert für den Vortrieb des Haupttunnels umfangreiche, nahezu vollständige und daher sehr wertvolle geologische Informationen. Die ursprüngliche technische Lösung sah vor, den mit Wasser gefüllten Bergsturzbereich ohne Grundwasserabsenkung mit Hilfe von Injektionen zu durchqueren. Beim Bau zeigte sich aber, dass Geologie und Hydrologie mit diesem Bauverfahren nicht beherrschbar waren. Es folgten 2013 ein Baustopp und umfangreiche Untersuchungen zum Bauverfahren und den hydrologischen Auswirkungen. Als einzige Lösung verblieb, das Wasser im Bergsturzbereich während der Bauzeit des Tunnels abzulassen und den Tunnel im Trockenen druckdicht auszubauen. Nach Bauende wird dieser Bereich mit Hilfe des natürlichen Bergwassers sowie einer künstlichen Zuleitung von Oberflächenwasser wieder gefüllt.

Erkundungsziele und Nutzen des 3.703 m langen Erkundungsstollens:

  • Erhöhung des geotechnischen Kenntnisstandes und Risikobeschränkung für die Bauarbeiten am Haupttunnel
  • Optimierung der Bauausführungsplanung für den Haupttunnel
  • Erhöhung der Kostensicherheit
  • Ausbau des Erkundungsstollens zum Rettungsstollen
  • Befahrbarkeit für Rettungskräfte aufgrund der Maße 3,5 x 3,5 m gewährleistet

Querschnitt HauPtröhre und Erkundungsstollen

Der Kramertunnel

Das Tunnelbauwerk

Vorgehensweise und eingesetzte Verfahren
Der bergmännische Vortrieb erfolgt von Norden und Süden gleichzeitig. Das Vortriebsverfahren folgt dem Prinzip der Spritzbetonbauweise. Damit kann besonders gut auf wechselnde Gebirgsverhältnisse eingegangen werden, ohne dass ein Wechsel im Bauverfahren erforderlich wird. Der Ausbruch des Gesamtquerschnitts erfolgt in Teilausbrüchen, bestehend aus Kalotte (oberer Querschnittsteil) sowie Strosse und Sohle (unterer Querschnittsteil). Das Lösen des Ausbruchs erfolgt größtenteils durch Sprengen (Festgesteinsbereiche). In Gebirgsbereichen mit sehr starker Verwitterung und/oder Zerlegung (Störungszonen) und in den Lockergesteinsabschnitten erfolgt der mechanische Ausbruch mit einem Bagger. Direkt nach dem Abschlag und dem Abtransport des Ausbruchmaterials werden die freigelegten Gebirgsflächen mit Hilfe von Sicherungsmitteln wie das Auftragen von Spritzbeton sowie der Einsatz von Baustahlmatten, Ankern und Gitterbögen versehen.

Für Stabilisierung und Sicherheit: zweischalige Tunnelröhre
Die Spritzbetonaußenschale stabilisiert das Gebirge bis zum späteren Einbau der Tunnelinnenschale. Die zweischalige Tunnelröhre wird größtenteils mit einem dauerhaft wirkenden Drainagesystem konzipiert, um den dort auftretenden Wasserdruck zu entspannen. Die Abdichtung erfolgt nach dem Regenschirmprinzip: Die Tunnelröhre wird im Gewölbe mit einer Kunststoffdichtungsbahn
(spezielle 2 mm starke Abdichtungsfolie) und einer außenliegenden Schutzschicht abgedichtet. Die Ableitung der anfallenden Bergwässer erfolgt durch Drainagerohre. Im Bereich der Lockergesteinsabschnitte wird die Innenschale dagegen in Form einer druck- und wasserdichten Beton- und Abdichtungskonstruktion hergestellt, damit nach Abschluss der Baumaßnahme die ursprünglichen Grundwasserverhältnisse wiederhergestellt werden können. Die Innenschale besteht aus 30 cm, stellenweise bis zu 35 cm dickem Stahlbeton. Sie gewährleistet die dauerhafte Standsicherheit des Bauwerks.  Der Haupttunnel hat zwei Fahrspuren mit je 3,50 m Breite. Dazu kommen zwei je 0,25 m breite Sicherheitsstreifen und zwei je 1,00 m breite Notgehwege.

Herausforderungen
Die geologische Prognose der räumlichen Ausdehnung der „Kramerüberschiebung“ in den Kössener-Schichten“ (siehe diagonal schraffierten Bereich im geologischen Schnitt) ist mit Unsicherheiten behaftet, da Störungszonen in ihrer Ausdehnung und Lage variieren können. Das Auffahren des Tunnels im „Bergsturzbereich“ ist eine weitere große bauliche Herausforderung.

Schnitt durch die Tunnelröhre

Tunnelbetrieb im Überblick

  • 13 Querschläge zwischen Hauptröhre und Rettungstunnel (sieben begehbar, sechs für Einsatzfahrzeuge befahrbar)
  • Durchfahrgeschwindigkeit: 80 km/h
  • Durchfahrtsdauer Tunnel: ca. 2 Minuten 45 Sekunden; gesamte westliche Ortsumgehung: ca. 4 Minuten
  • Beleuchtung durchgehend in LED-Technik (174 Adaptationsleuchten, 479 Tag- und Nacht-Durchfahrtsleuchten)
  • Funkversorgung für Feuerwehr, Rettungsdienste und Polizei
  • 24-stündige Überwachung durch die Verkehrs- und Betriebszentrale
  • Längslüftung über die gesamte Tunnellänge (16 Strahlventilatoren je 45 kW) sowie zusätzliche Rauchabsaugung (2 Abluftventilatoren je 400 kW) im Tunnelinnenbereich, Überdruckbelüftung des Rettungstunnels (2 Axialventilatoren je 15 kW)
  • Drei Betriebsgebäude, eines davon als Kaverne im Berginneren
  • Leistungsbedarf durchschnittlich 480 kW (maximal 1,6 MW), redundante Energieeinspeisung

Zahlen • Daten • Fakten

Tunnellänge

Kramertunnel*3.609 m
Erkundungsstollen3.703 m

Maximale Überdeckung

Kramertunnel*ca. 300 m
Erkundungsstollenca. 300 m

Ausbruchsquerschnitt

Kramertunnel*a. 92 m² ohne Sohlgewölbe
ca. 115 m² mit Sohlgewölbe
Erkundungsstollenca. 29 m² ohne Sohlgewölbe
ca. 36 m² mit Sohlgewölbe

Ausbruchsvolumen

Kramertunnel*ca. 375.000 m³
Erkundungsstollenca. 130.000 m³

* Einröhriger Fahrtunnel im Gegenverkehr

 

Bauherr
Bundesrepublik Deutschland

Gesamtkosten
264 Mio. Euro
Die Kosten für den Bau, den Grunderwerb und den späteren Betrieb der Umgehung trägt der Bund.

Entwurf und Planung
Staatliches Bauamt Weilheim und ILF Beratende Ingenieure ZT GmbH, Innsbruck

Prüfingenieur
Prof. Dr.-lng. Oliver Fischer, München, in Zusammenarbeit mit Prof. Dr.-lng. Karl Schikora

Bauoberleitung / Bauüberwachung
Arbeitsgemeinschaft bestehend aus dem Staatlichen Bauamt Weilheim, den Ingenieurbüros Müller+Hereth, EDR und BUNG

Ausführungsplanung und Bauausführung
Arbeitsgemeinschaft Kramertunnel BeMo Tunnelling GmbH / Subterra a.s.
Bundesrepublik Deutschland

Geotechnische Beratung
Technische Universität München, Zentrum Geotechnik
Prof. Dr.-Ing. Jochen Fillibeck

 Kramertunnel*Erkundungsstollen
Tunnellänge
3.609 m
3.703 m
Maximale Überdeckung
ca. 300 m
ca. 300 m
Ausbruchsquerschnitt

ca. 92 m² ohne Sohlgewölbe
ca. 115 m² mit Sohlgewölbe

ca. 29 m² ohne Sohlgewölbe
ca. 36 m² mit Sohlgewölbe

Ausbruchsvolumen
ca. 375.000 m³
ca. 130.000 m³

* Einröhriger Fahrtunnel im Gegenverkehr

Bauherr
Bundesrepublik Deutschland
Gesamtkosten

264 Mio. Euro
Die Kosten für den Bau, den Grunderwerb und den späteren Betrieb der Umgehung trägt der Bund.

Entwurf und Planung
Staatliches Bauamt Weilheim und ILF Beratende Ingenieure ZT GmbH, Innsbruck
Prüfingenieur
Prof. Dr.-lng. Oliver Fischer, München, in Zusammenarbeit mit Prof. Dr.-lng. Karl Schikora
Bauoberleitung / Bauüberwachung
Arbeitsgemeinschaft bestehend aus dem Staatlichen Bauamt Weilheim, den Ingenieurbüros Müller+Hereth, EDR und BUNG
Ausführungsplanung und Bauausführung
Arbeitsgemeinschaft Kramertunnel BeMo Tunnelling GmbH / Subterra a.s.
Geotechnische Beratung
Technische Universität München, Zentrum Geotechnik Prof. Dr.-Ing. Jochen Fillibeck
Kramertunnel*
Tunnellänge
3.703 m
Maximale Überdeckung
ca. 300 m
Ausbruchsquerschnitt
ca. 29 m² ohne Sohlgewölbe ca. 36 m² mit Sohlgewölbe
Ausbruchsvolumen
ca. 130.000 m³
Erkundungsstollen
Tunnellänge
3.703 m
Maximale Überdeckung
ca. 300 m
Ausbruchsquerschnitt
ca. 29 m² ohne Sohlgewölbe ca. 36 m² mit Sohlgewölbe
Ausbruchsvolumen
ca. 130.000 m³

* Einröhriger Fahrtunnel im Gegenverkehr